Der Genuss der schwarzen Bohne – früher und heute

Für viele beginnt der Tag erst nach einer Tasse frisch aufgebrühten Kaffee. Der Muntermacher regt den Kreislauf an und bringt nicht nur Körper, sondern auch Geist auf trapp. Er fördert die Konzentration, vertreibt Müdigkeit und erhöht die Leistungsfähigkeit.[1] Daneben hat Kaffee aber noch viele weitere positive Wirkungen auf die Gesundheit. Studien haben gezeigt, dass Kaffee einen schützenden Effekt bei Leberzirrhose haben kann, außerdem senkt er das Risiko für Gallen- und Nierensteine. Er soll sogar vorbeugend gegen sogenannte neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer wirken.[2]

Die anregende Wirkung, die vorwiegend auf das enthaltene Koffein zurückzuführen ist, hat zur weltweiten Verbreitung des Getränks sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt. So richtig populär wurde Kaffee zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also kurz bevor Samuel Hahnemann die Homöopathie entdeckte. Und tatsächlich war Hahnemanns Heimatregion Sachsen mit der Meißner Porzellanmanufaktur eine Hochburg für Kaffee. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff der Kaffee-Sachsen, da die sächsische Bevölkerung für ihren ausgiebigen Genuss des schwarzen Tranks berühmt war.

Kaffee als Antidot?

In der früheren Heilkunde ging man davon aus, dass Krankheiten durch Gifte verursacht werden, die sich im Körper angesammelt haben. Die Behandlung erfolgte daher über sogenannte Ausleitungsverfahren, mit denen man diese Gifte aus dem Körper ziehen wollte. Aderlässe, Blutegel, Schröpfen oder sonstige Maßnahmen wurden angewandt, daneben erhielten die Patienten auch Brech- oder Abführmittel. Zudem suchte man nach Arzneien, um Gifte im Körper unschädlich zu machen. Diese Gegengifte wurden als Antidot bezeichnet.

Bis in die heutige Zeit versteht man unter Antidot in der Medizin ein Gegengift, das eine andere, giftige Substanz unschädlich oder ausscheidbar machen soll.[3] In der Homöopathie hingegen bezeichnet man als Antidot einen Stoff, der die Wirkung eines zuvor gegebenen homöopathischen Mittels beeinträchtigen oder stören kann, oder der die Arznei vollkommen unwirksam macht. Zu den bekanntesten Antidoten in der Homöopathie zählen Kampfer, Menthol, Pfefferminze – und eben Kaffee.

Schon früh erkannte Dr. Hahnemann, dass bestimmte Faktoren in der Lebensweise, insbesondere aber in der Ernährung, den Heilungsverlauf behindern können. Besonders Kaffee, der seinerzeit auch in der einfachen Landbevölkerung ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens war, galt für ihn als Hindernis für die Genesung. Er untersuchte die Wirkung auf Gesunde[4] und fand, dass Kaffee verschiedene Arzneien negativ beeinflusst, wie beispielsweise von Causticum, Chamomilla, Conium, Ipecacuanha, Nux vomica, Opium, Rhus toxicodendron oder Veratrum album. Manche seiner Nachfolger sahen im Kaffee sogar ein allgemeines Antidot gegen sämtliche homöopathische Mittel.

Obwohl Hahnemann auch die positiven Effekte des Aufgusses bei verschiedenen Krankheiten immer wieder betonte, sprach er sich stets gegen seinen alltäglichen Gebrauch als Lebensmittel aus. Und die Diskussion um Kaffee während einer homöopathischen Behandlung hält bis heute unvermindert an.

Kaffee als Medizin?

Kaffee zählt zu den am besten untersuchten Lebensmitteln und zahlreiche Studien wurden über seine Wirkung durchgeführt. Neben dem bekannten Koffein enthält der Kaffee mehr als 1000 Substanzen wie Eiweiße, Fette, Mineralstoffe oder Alkaloide. Viele davon sind noch immer unbekannt. Selbst von den über 800 Aromastoffen sind noch schätzungsweise 100 nicht geklärt, sodass es bislang noch nicht gelungen ist, ein synthetisches Kaffeearoma herzustellen.[2]

Die Inhaltsstoffe des Kaffees können je nach Herkunftsland und Aufbereitungsart des Rohkaffees schwanken. Dementsprechend hängt auch die Wirkung des Getränks von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise auch von der Zubereitung. Ob als Espresso, Cappuccino oder Mokka, mit Milch, Zucker oder schwarz wie die Nacht. Jeder hat seine Vorliebe, und bei jedem wirkt der Koffeinkick unterschiedlich.

Denn es gibt durchaus individuelle Aspekte bezüglich der Kaffeewirkung. So wird das Koffein bei Kindern oder Schwangeren, aber auch bei Patienten mit Lebererkrankungen langsamer ausgeschieden. Daneben spielen auch genetische Faktoren oder Umweltbedingungen eine Rolle.[5] Und nicht jeder, der nachmittags eine Tasse Kaffee zu sich nimmt, liegt in der darauffolgenden Nacht stundenlang wach.

Grundsätzlich ist die anregende Wirkung durch das Koffein für die meisten das Hauptargument für ihren mehr oder weniger starken Kaffeekonsum. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass man hier bereits von einer arzneilichen Anwendung sprechen kann. Denn schließlich soll der Kaffee die körperliche, meist aber eher die geistige Müdigkeit vertreiben. Ganz im Sinne eines Aufputschmittels, das die Lebenskräfte wieder in Schwung bringt. Im Hinblick auf die Homöopathie liegt aber genau hier auch ein Argument gegen die regelmäßige Tasse Kaffee. Denn homöopathische Arzneien sollen möglichst alleine wirken, ohne dass sonstige andere Mittel in den Organismus eingreifen. Der Kaffee kann im Sinne eines Medikaments durchaus das Symptombild verändern, sodass die richtige Mittelwahl dadurch erschwert wird.

Voll auf Entzug

Koffein zählt weltweit zu den am häufigsten verwendeten psychoaktiven Substanzen.[1] Und viele Kaffeetrinker geben an, ohne den regelmäßigen Energieschub nicht über die Runden zu kommen und die täglichen Anforderungen im Beruf oder im Studium nicht bewältigen zu können. Und tatsächlich kann Koffein süchtig machen und bei einem Entzug zeigen sich Beschwerden wie Kopfschmerzen, Erschöpfung, verminderte Wachsamkeit, Konzentrationsstörungen, Schläfrigkeit, depressive Verstimmungen oder auch Reizbarkeit. Teilweise leiden die Betroffenen auch unter grippeartigen Symptomen, Übelkeit oder Muskelschmerzen.[6] Dabei reicht bereits die tägliche Tasse Kaffee aus, um Entzugssymptome hervorzurufen. Die Beschwerden klingen nach wenigen Tagen wieder ab.

Für eine homöopathische Behandlung bleibt diese Erkenntnis nicht ohne Konsequenzen. Denn was sollte man einem Kaffeetrinker raten, der ein potenziertes Arzneimittel gegen bestimmte Beschwerden einnehmen möchte? Zunächst kann der Kaffee das Beschwerdebild verändern, andererseits kann auch das abrupte Absetzen des gewohnten Heißgetränks zu neuen Beschwerden führen.

Empfehlenswert wäre es in jedem Fall, einen zu hohen Kaffeekonsum einzuschränken. Als moderat gilt ein täglicher Genuss von drei bis vier Tassen[1]. Insbesondere Personen, die sehr empfindlich auf den Koffeinkick reagieren, sollten zumindest für den Zeitraum der Behandlung auf eine Alternative umsteigen. Dasselbe gilt auch, wenn ein Beschwerdebild vorliegt, das durch Kaffee verschlechtert wird.

Bei Behandlung mit einem der erwähnten Mittel, die durch Kaffee antidotiert werden, kann man über eine häufigere Einnahme versuchen, den Organismus dennoch zu einer Reaktion zu bringen. Insbesondere die speziell zubereiteten LM-Potenzen gelten hier als geeignet.

Mit oder ohne Koffein?

Ob die Antidotwirkung des Kaffees ausschließlich auf das Koffein zurückzuführen ist, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Daher ist nach wie vor unklar, ob entkoffeinierter Kaffee die homöopathische Behandlung stört oder nicht. Vielmehr dürfte die aufgenommene Menge zusammen mit der individuellen Empfindlichkeit des Patienten eine wichtige Rolle spielen. Dasselbe gilt auch für koffeinhaltige Lebensmittel wie Energydrinks, koffeinhaltige Kaugummis oder Eiscreme.

Grundsätzlich war ein regelmäßiger Kaffeegenuss seiner Patienten auch für Hahnemann kein Hindernisgrund, die Behandlung aufzuschieben.[7] Allerdings sollte die Reaktion des Organismus auf die Mittelwirkung genau beobachtet werden. Bleibt die gewünschte Heilreaktion aus, kann über eine veränderte Potenzstufe des Mittels oder durch eine häufigere Gabe versucht werden, die Umstimmungskraft des Mittels zu aktivieren. Allerdings sollte man die möglichen störenden Einflüsse des Kaffees und auch anderer potenzieller Antidote dabei immer im Hinterkopf behalten.