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Wenn der Schmerz nicht mehr aufhört

Lesen Sie hier einen Beitrag über Chronische Schmerzen und deren Behandlung mit Homöopathie von Dorit Zimmermann.

Chronische Schmerzen homöopathisch begleiten


Chronische Schmerzen und Homöopathie.

Hierzulande leiden etwa 12 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen, das sind rund 15 Prozent. Von schulmedizinischer Seite haben sie außer mehr oder weniger nebenwirkungsreichen Medikamenten und mitunter recht fragwürdigen Operationen nicht viel zu erwarten. Alternative Heilverfahren können die Schmerzen zwar auch nicht immer aus der Welt schaffen, tragen aber dazu bei, den Alltag der Betroffenen lebenswerter erscheinen zu lassen. Vor allem die Klassische Homöopathie mit ihrem ganzheitlichen Ansatz kann hier viel bewirken.

Als chronisch gilt ein Schmerz, wenn er länger als sechs Monate anhält oder periodisch an mehr als 15 Tagen pro Monat auftritt. Chronische Schmerzen haben sich verselbstständigt, sind losgelöst von der ursprünglichen Erkrankung oder Verletzung und haben ihre Schutzwirkung zumindest im körperlichen Bereich verloren. Die Folge nicht ausreichend therapierter Schmerzen ist häufig deren Speicherung im Schmerzgedächtnis.

Schmerz ist subjektiv

Schmerz ist keine objektive Größe, sein Erleben ist individuell. Die persönliche Schmerzwahrnehmung und -toleranz hängt von zahlreichen Faktoren ab, die mit der eigenen Lebensgeschichte verwoben sind. Insofern bietet sich die Klassische Homöopathie zur Linderung chronischer Schmerzen an: Sie ist individuell und berücksichtigt den Menschen in seiner Komplexität. Physische und psychische Symptome fließen gleichermaßen in die Verordnung des homöopathischen Arzneimittels ein.

Schmerzen sind die Reaktion des Körpers auf alles, was vom Gehirn als Bedrohung eingestuft wird. Selbst heftigste chronische Schmerzen bestehen nur deshalb, weil das Gehirn aus irgendwelchen, oft nicht nachvollziehbaren Gründen beschlossen hat, dass der Organismus akut gefährdet ist. Letztlich ist das Gehirn der wahre Urheber jeglicher Schmerzempfindung. Interessant ist auch, dass bei der Wahrnehmung und Verarbeitung sowohl körperlicher als auch seelischer Schmerzen dieselben Hirnareale aktiv sind, das haben bildgebende Verfahren eindeutig gezeigt. Meist sind beide Wahrnehmungsebenen miteinander verzahnt, und so gibt es in der Regel weder einen rein körperlichen noch einen rein seelischen Schmerz.

Wie stark ein Schmerz empfunden wird, ist nicht abhängig vom Schweregrad der Gewebeschädigung, mitunter liegt sogar überhaupt keine nachweisbare Verletzung oder Schädigung vor. Und oft klagen Patienten über anhaltende Schmerzen, obwohl die Verletzung oder Entzündung längst abgeklungen ist: Der Schmerz hat sich verselbstständigt.

Wenn aus akuten Schmerzen chronische Schmerzen werden

Während akute Schmerzen ein Symptom mit Warn- und/oder Schutzfunktion darstellen, haben anhaltende oder periodisch wiederkehrende Schmerzen den Stellenwert einer chronischen Krankheit. Sie beeinträchtigen den Alltag mitunter massiv und wirken sich in vielen Fällen negativ auf die Lebensqualität aus. Typische Beispiele chronischer Schmerzen sind Rücken-, Nerven-, Kopf-, Arthrose-, Tumor- und Phantomschmerzen sowie somatoforme Schmerzstörungen. Aus psychologischer Sicht wird angenommen, dass der chronische Schmerz ohne Gewebeschädigung eine Stellvertreterfunktion für ein seelisches Leiden einnimmt, welches verdrängt und/oder tief im Inneren vergraben wurde, da es zu schmerzhaft wäre, sich damit zu beschäftigen.

Das Fatale chronischer Schmerzen besteht darin, dass der Organismus versucht, das bewährte Muster akuter Schmerzbewältigung auch bei anhaltenden Schmerzen beizubehalten, d.h. Stressreaktion mit Beschleunigung zahlreicher körperlicher Funktionen und die Suche nach einfachen, schnellen und kurzfristigen Lösungen. Gelingt dies nicht, führt der daraus resultierende Dauerstress zu anhaltender Erschöpfung bis hin zur Depressivität. Die Alarmbereitschaft des Schmerzsystems erhöht sich, das Schmerzgedächtnis bildet sich aus. Der eigene Handlungsspielraum wird immer kleiner.

Im Falle akuter Schmerzen ist diese Reaktion sinnvoll, mitunter auch lebensrettend. Sobald die Bedrohung vorüber ist, lässt der Stress nach – der Körper geht in Entspannung. Das Problem chronischer Schmerzen besteht darin, dass die Anspannung anhält. Hinzu kommt die häufige Kopplung von Schmerz und Angst, wodurch der Stress für Körper und Seele chronisch wird. Auch wenn der Schmerz gerade nicht wahrgenommen wird, ist dennoch die Angst vor seinem neuerlichen Auftreten spürbar. Die Betroffenen empfinden entweder Schmerz oder Angst vor dem Schmerz, was dazu führt, dass ihr Alltag fast vollständig vom Schmerz beherrscht wird. Diese Schmerz-Angst-Schmerz-Spirale muss durchbrochen werden. Hier kann die Klassische Homöopathie begleitend eingesetzt werden.

Das Schmerzgedächtnis

Um möglichst schnell und effektiv auf potenzielle Bedrohungen reagieren zu können, speichert das Gehirn schmerzhafte Erfahrungen ab. Wenn sich eine solche Erfahrung wiederholt, erinnert sich das Gehirn augenblicklich an das frühere schmerzhafte Erlebnis und stuft die neuerliche Bedrohung als besonders schwerwiegend ein. Die Schmerzschwelle wird herabgesetzt mit dem Resultat verstärkter Schmerzwahrnehmung. Es findet eine Sensibilisierung bezüglich dieses potenziellen Schmerztriggers statt. In der Konsequenz verbindet der Betroffene sämtliche Situationen, in denen der Schmerz jemals aufgetreten ist, unwillkürlich mit dem Schmerzerlebnis, was zu einer negativen Erwartungshaltung und damit zum Auftreten von Schmerzen führen kann. Allein der Gedanke an das Auftreten des gefürchteten Schmerzes kann ausreichen, um ihn auszulösen. Hinzukommt, dass Menschen, die unter muskulären Verspannungen, chronischen Entzündungen oder körperlichen Funktionseinschränkungen leiden, Schmerzen schlechter verarbeiten als Menschen ohne entsprechende Vorbelastung. Bei ihnen besteht ein höheres Risiko zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses. Das Gleiche gilt für Menschen mit Depressionen und für jene, die beruflich oder privat stark belastet sind. All das sind wichtige Anhaltspunkte für eine ganzheitliche Schmerztherapie, zu der auch die Klassische Homöopathie gehört.

Fatalerweise lässt sich das Schmerzgedächtnis nicht löschen. Selbst wenn die Ursache des chronischen Schmerzes längst beseitigt ist, erinnert sich das Gehirn noch lange daran. Die moderne Hirnforschung konnte mittlerweile nachweisen, dass das Gehirn keine Löschtaste besitzt. Einmal erlebte Schmerzen bleiben gespeichert, ihre Spuren können nicht zum Verschwinden gebracht werden.[1] Allerdings können positive Erfahrungen dazu beitragen, das Schmerzgedächtnis zu überschreiben. Dazu ist es von entscheidender Bedeutung, Situationen, in denen der Schmerz einmal aufgetreten ist, nicht zu meiden, sondern sich wieder und wieder in derartige Lagen zu begeben, um die einmal gemachte negative Erfahrung durch viele positive zu überlagern, sodass die entsprechende Situation nicht automatisch mit dem Auftreten des Schmerzes verbunden wird. Auch das passende homöopathische Mittel kann hier wertvolle Dienste leisten.

Individuelles Schmerzerleben und Klassische Homöopathie

Die Schmerztherapie unterscheidet zwischen zwei Schmerzqualitäten: der affektiven und der sensorischen. Die affektive Schmerzqualität gibt das individuelle Erleben wider. Sie besagt, wie der Einzelne seine Schmerzen wahrnimmt, wie tief seine Verzweiflung dabei ist. So werden Schmerzen beispielsweise als quälend, marternd, lähmend oder zerstörerisch beschrieben. Bei der sensorischen Schmerzqualität geht es um die Art des Schmerzes. Hier äußert sich der Betroffene dazu, wie sich der Schmerz anfühlt, z.B. stechend, drückend, brennend, klopfend, pulsierend, bohrend, dumpf, hell, ziehend oder einschießend.

Sowohl in der Beschreibung der affektiven als auch der sensorischen Schmerzqualität drückt sich das individuelle Erleben des Schmerzes aus, das zum passenden homöopathischen Arzneimittel führt. Je genauer der Patient seine Schmerzen beschreiben und lokalisieren kann, desto einfacher ist es, seinem individuellen Erleben ein homöopathisches Mittel zuzuordnen.

Ein Beispiel aus der Praxis über chronische Schmerzen

Ein 60-jähriger Mann sucht aufgrund anhaltender Gelenkbeschwerden homöopathische Hilfe. Er leidet unter einem steifen Nacken und entzündlichen Knieschmerzen an. Seine Schmerzen beschreibt er mit folgenden Worten: „Ich habe eine Anspannung in meinem Nacken und kann deshalb nicht richtig arbeiten. Ich kann mich nicht frei bewegen. Es wird immer gerader, und dann kann ich den Nacken nicht mehr bewegen, zu keiner Seite. Wenn ich meinen Nacken strecke, dann tut es noch mehr weh.“ Auf seine Beschwerden reagiert er mit innerlicher Rastlosigkeit. Er findet keine Ruhe. Nach seinen Träumen befragt, erzählt der Patient: „Manchmal träume ich von Situationen, in denen ich stecke.“ Nacken-, Knie- und Rückenschmerzen bessern sich durch Wärme, Knie- und Rückenbeschwerden zusätzlich durch Bewegung. Die Steifheit verschlimmert sich durch Zugluft und am Abend.[2] Der rote Faden, der den gesamten Fall durchzieht, ist die Empfindung von Steifheit und Bewegungslosigkeit, verbunden mit dem Wunsch nach Beweglichkeit. Der Patient braucht ein homöopathisches Mittel aus der Familie der Anacardiaceae. Das bekannteste von ihnen ist Rhus toxicodendron, eine bewährte Arznei bei rheumatischen Beschwerden mit Besserung durch fortgesetzte Bewegung und warme Anwendungen.

Fazit

Schmerzen sind Ausdruck des Individuums und können nicht losgelöst betrachtet werden. Daher muss der gesamte Mensch in die Behandlung einbezogen werden. Neben Art und Ort der Schmerzen, fließen auch die individuelle Reaktion auf die Beschwerden, Träume, Ängste und Befürchtungen sowie charakteristische Modalitäten in die Wahl des passenden homöopathischen Mittels ein, z.B. was bessert oder verschlechtert. Rhus toxicodendron ist zwar ein hilfreiches Mittel bei entzündlichen Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates, es lindert auch akute Schmerzen, wenn sie dem Arzneimittelbild sehr ähnlich sind. Im Falle chronischer Schmerzen muss das Mittel umfassend gewählt werden, es muss dem Menschen auf allen Ebenen gerecht werden. Dazu ist ein geschulter Therapeut erforderlich.

[1] Das Schmerzgedächtnis – Vergessen unmöglich? Aus: Dtsch Med Wochenschr 2013; 138, Nr. 27

[2] Der Fall stammt von Rajan Sankaran, zitiert nach: Sankaran, R.: Einblicke ins Pflanzenreich. Bd. 1, Homoeopathic Medical Publishers. Mumbai, 2009 (dt. Ausgabe). S. 99 ff.